Die 45 Fragen hatte sie schon beantwortet, bevor die reguläre Zeitvorgabe für ihre Klasse verstrichen war. Sie habe aber auch eine ganze Menge dafür getan. Das erzählt die 28-jährige Ladbergerin im Leedener „LebensMittelpunkt“ (LMP) der Ledder Werkstätten, denn das Lebensmittelgeschäft der diakonischen Einrichtung ist ihr Ausbildungsbetrieb.
Davor hat sie die Förderschule in der Widum (Lengerich) des Kirchenkreises Tecklenburg besucht. Der Diakonie blieb sie nach ihrer Schulzeit treu und wechselte ab 2016 in den Ladberger Berufsbildungsbereich der Ledder Werkstätten. Gut zwei Jahre später – zunächst als Praktikantin – ging sie dann zum LMP, in ihren Wunsch-Arbeitsbereich. Dort blieb Samantha, und was dann geschah, war ein Musterbeispiel an geduldiger Förderung mit vielen, vielen Beteiligten. Ausbilder und Bereichsleiter Björn Hippel berichtet von Samanthas Weg:
Alles habe nach der Beruflichen Bildung mit dem Praktikum 2018 begonnen. In den nächsten sechs Jahren habe Samantha in Leeden nach und nach alle Tätigkeiten des Dienstleistungsangebotes erlernt, bald die Kasse gemacht, ebenso die Kontrolle der Mindesthaltbarkeitsdaten. Im Fahrdienst, also der Belieferung der LeWe-Wohneinrichtungen, war sie dank Führerschein unterwegs und bekam außerdem Spaß daran, mit Kunden umzugehen und sie gut zu beraten. Förderangebote wie das Projekt „Bestückung der Obst- und Gemüsetheke“ oder zahlreiche Lerneinheiten zu Hygiene oder Arbeitssicherheit kamen hinzu.
Im August 2024 ging sie den nächsten großen Schritt: Ausbildungsstart zur Verkäuferin, was auch für den LMP eine Premiere war, also selbst eine ehemals Beschäftigte nun regulär auszubilden. Den Ausbildungsplatz hatte der hauseigene Fachdienst Berufliche Inklusion (FBI) werkstattintern ausgeschrieben und Samantha organisatorisch begleitet. Hippel ist als Ausbilder bei der IHK eingetragen und begleitete sie nun fachlich durch die zweijährige Lehrzeit. Das Berufskolleg in Ibbenbüren mit seiner schieren Größe war anfangs eine echte Herausforderung, denn Samantha hat eine Lese- und Schreibschwäche, die manche Fächer für sie schwierig macht.
Also suchte Hippel weitere Hilfen und fand sie beim Integrationsfachdienst des LWL-Inklusionsamtes, weil Samantha ins geförderte Budget für Ausbildung wechselte, und beim Verein „Lernen fördern“: Seit einem Jahr bekommt die angehende Verkäuferin dort sogenannten Stützunterricht und außerdem eine Schulbegleitung. Die erfolgreiche Zwischenprüfung beweist, wie sehr ihr das alles geholfen hat.
Von der ehemaligen Förderschülerin über die Beschäftigte bis zur normalen Arbeitnehmerin: Samantha hat heute den Ladenschlüssel und einen Stempelchip. Ihre Frühschicht beginnt um 6.45 Uhr, sie hat 39 Wochenstunden zu leisten und noch paar Dinge mehr. Hätte sie sich 2018 ernsthaft träumen lassen, einmal so weit zu kommen? „Nein, auf gar keinen Fall“, sagt sie heute. Jetzt, im zweiten Lehrjahr, ist sie viel sicherer, routinierter, beginnt hin und wieder auch morgens ganz allein die Schicht in Leeden.
Im Sommer 2026 wird sie ausgebildete Verkäuferin sein – und dann? „Ein paar Jahre möchte ich noch hier arbeiten“, sagt sie. Dafür gibt es das geförderte Budget für Arbeit. Und dann plane ihre Familie, nach Dänemark auszuwandern. Möglichst grenznah, ohne Sprachprobleme. „Da kann ich dann in einem Supermarkt arbeiten.“
Bericht: Jörg Birgoleit.