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„Zeitenwende“ – Szenische Lesung aus Remarques Roman „Das gelobte Land“

Als Mitte Mai auf der Bühne des evangelischen Gemeindehauses in Lengerich das Ensemble „heyl und segen“ agierte, wurde einmal mehr deutlich, wie gering die Unterschiede zwischen den USA, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in den 1940er-Jahren für die aus Europa Geflüchteten einerseits und Deutschland beziehungsweise Europa als Ziel der heutigen Flüchtenden und Geflüchteten andererseits sind.

Erich Maria Remarques Roman „Das gelobte Land“ spiele im Jahr 1944, aber es hätte auch 2024 sein können, erinnerte sich Hartmut Heyl, ehemaliger Pfarrer der psychiatrischen Kliniken am Osnabrücker Gertrudenberg, an seine Gedanken während der Lektüre im vergangenen Jahr. Schnell fiel die Entscheidung, die damals wie heute aktuellen Themen wie Flucht, Immigration, Heimatlosigkeit, Verfolgung und Verzweiflung zu einer kulturellen Veranstaltung aufzubereiten. Unter dem Titel „Zeitenwende“ erlebte auf Einladung der evangelischen Kirchengemeinde das Publikum eine szenische Lesung aus Remarques „Das gelobte Land“.

Gemeinsam mit Ulrike Pepmöller und Dr. Rolf Westheider – das vierte Ensemblemitglied, Heyls Schwester Sonja Schwarz, war erkrankt und konnte deshalb nicht am Flügel sitzen – las, erzählte und spielte Hartmut Heyl, der schon mehrfach mit Remarque-Lesungen in der Hohner Kirche gastiert hatte, die Geschichte von Ludwig Sommer, dem Mann „mit dem fast echten Pass“ – „nur ich und das Foto waren falsch“ -, der vom Lager der Einwanderungsinsel Ellis Island vor New York aus in sein neues Leben startete. In einem Land, das zwar „im Krieg“ war, in dem aber kein Krieg war und in dem sich der jüdische Immigrant Sommer nicht nur seinem Neuanfang, sondern auch der Vergangenheit stellen muss. Voller Angst, Misstrauen, Heimweh, aber auch Hoffnung, zunächst auf Asyl, später auf eine Zukunft in Hollywood. Ludwig Sommer scheint es zu schaffen, hat Erfolg in der Kunstszene und leidet doch an seinen Erinnerungen an die Flucht, an die Gefangenschaft, an dem, was er erlebt hat, erleben musste. Und immer wieder stellt sich ihm angesichts der Verbrechen des Holocausts die Frage nach der Moral seines Überlebens. „Glaubst du, dass wir je vergessen können, was mit uns passiert ist“, fragt er. „Wir leben“, so die Antwort eines Leidensgenossen, der fortfährt: „Ist das ein Trost - oder auch nicht?“ 

Die eindringliche und berührende Botschaft der szenischen Lesung und die musikalischen Intermezzi des Pianisten und Sängers Heyl verfolgte lediglich ein Dutzend Personen der Generation 60 plus. Das mag dem schönen Wetter oder der Fülle der Veranstaltungen geschuldet gewesen sein, ist aber umso bedauerlicher, weil die Passagen aus Remarques letztem, erst nach seinem Tod im Jahr 1970 veröffentlichten Roman, die damaligen wie heutigen Schwierigkeiten und Gefühle aus der Ferne ankommender Menschen auf den Punkt brachten und zu mehr Verständnis für die Kinder, Frauen und Männer, die aktuell auf der Suche nach einer neuen Heimat sind, beitragen könnten.

Bericht: Dietlind Ellerich

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