Mit der anderen Hälfte ihres Pfarrdienstes wird sie ein regionales Innovationsprojekt im Gestaltungsraum der drei Münsterland-Kirchenkreise vorbereiten und dabei besonders die Zielgruppe der jungen Erwachsenen im Alter von 18-35 Jahren mit neuen Formaten ansprechen. Öffentlichkeitsreferentin Christine Fernkorn führte ein Interview mit Christine Jürgens.
Willkommen im Kirchenkreis Tecklenburg! Freuen Sie sich auf Ihre neuen Aufgaben?
Nach einem ruhigen Sommer bin ich voller Neugier auf das Tecklenburger Land und die Menschen, die hier leben. In Ibbenbüren hat mein Onboarding schon begonnen und ich kann mich dort erst einmal verankern. Mein Blick richtet sich aber von Anfang an auch auf den gesamten Gestaltungsraum, und ich habe große Lust, nach Münster nun auch die anderen beiden Kirchenkreise kennenzulernen. Ich stelle mich deshalb schon mal auf viele Kilometer über Landstraßen und Autobahnen ein.
Wie sieht Ihr Pfarrdienst hier aus?
Zu 50 Prozent werde ich in der Kirchengemeinde Ibbenbüren Vertretungsaufgaben übernehmen. Mit der anderen Hälfte baue ich eine Fachstelle für junge Erwachsene im Münster- und Tecklenburger Land auf, die im besten Fall langfristig angelegt wird. Geplant ist dafür die Zusammenarbeit mit der synodalen Jugend, der Öffentlichkeitsarbeit und der Erwachsenenbildung, sicher auch mit dem Popkantorat Münster und den Diakonischen Werken. Jung und erwachsen ist man oft dann, wenn der erste Schulabschluss geschafft und die ersten grundlegenden Entscheidungen getroffen sind. Doch auch viele Menschen in ihren 30ern fühlen sich noch dieser Gruppe zugehörig. Das Münster- und Tecklenburger Land lebt vom Miteinander von Land und Stadt, von Vereinen und Nachbarschaften ebenso wie von Kultur und neuen Impulsen. Die Chance meiner Aufgabe liegt darin, Menschen und Gott zusammenzubringen, die sich sonst nie begegnen würden. Deshalb mache ich mich jetzt zu Beginn auf die Suche nach den jungen Erwachsenen dieser Region. Ich möchte ihre Perspektiven kennenlernen und hören, was sie brauchen und von ihrer Kirche erwarten. Sicher muss ich dazu genauer hinschauen, um sie zu finden - aber ich weiß aus Erfahrung, es gibt sie.
Wo sind Sie geboren? Was waren Ihre beruflichen Stationen nach Ihrem Theologiestudium?
Ich bin 36 Jahre alt, von Herzen gern Mutter und Pfarrerin und lebe in Münster. Ursprünglich komme ich aus Lünen im nördlichen Ruhrgebiet. Beruflich war ich zuletzt im Gemeindepfarramt, in systemischer Beratung und im Gottesdienstcoaching tätig. Das Pendeln erinnert mich an meine Zeit in Recklinghausen und Dortmund, wo ich Erfahrungen in Stadtkirchenarbeit sowie in Vertretungs- und Vakanzdiensten sammeln konnte. Ob ich selbst noch junge Erwachsene bin, kann ich gerade nicht eindeutig beantworten. Vielleicht ist das schon Antwort genug.
Sie arbeiten ja in der Arbeitsgruppe „boah.glaubse“ mit, einem digitalen Netzwerk von Menschen aus Westfalen, die Kirche weiterdenken und dies über Instagram kommunizieren. Wie stellen Sie sich Vernetzungsarbeit vor, die über den Kirchturm hinausgeht?
Digital Natives leben hybrid. Begegnungen wechseln selbstverständlich zwischen analog und digital. Ein Gespräch kann im Café beginnen und in einer Messenger-Gruppe weiterlaufen. Für viele junge Menschen gehören digitale Räume genauso zur Selbstfindung wie Schule, Uni oder ihr Zuhause. Dabei entstehen oft wenige, aber intensive Bindungen. Gleichzeitig sind sie offen, sich punktuell auf Projekte einzulassen. Häufig geht es dabei um grundlegende Fragen und Hoffnungen, die auch in der bestehenden Bildungs- und Gemeindearbeit auftauchen, dort aber von den Generationen Y und Z kaum entdeckt werden. Mit ihrer Sprache, ihrem Tempo und ihren Themen möchten sie ernst genommen und beteiligt werden, auch in Abgrenzung zu Vertrautem. „boah.glaubse“, entstanden in den intensiven Covid-Jahren, ist dafür ein gutes Beispiel. Menschen haben sich für eine bestimmte Zeit digital verbunden und miteinander konkrete Erfahrungen gemacht. Daraus kann sich weitere Verbundenheit entwickeln, die auch analog weiterbesteht, auch wieder vertieft werden kann - oder auch nicht.
Sie haben in Dortmund in der Stadtkirchenarbeit Erfahrungen mit neuen Formaten gesammelt. Was meinen Sie, können Sie die auch im Innovationsprojekt anwenden?
In St. Petri und Reinoldi habe ich erlebt, wie spannend es ist, ins Unbekannte hineinzuarbeiten. Das war geprägt von Experimentierfreude, Offenheit und zugleich theologischer Tiefe. Unterschiedlichste Menschen begegnen einander und manchmal auch Gott, oft zum ersten Mal und ohne feste Zugehörigkeit. Genau daraus entsteht etwas Eindrückliches. Anders als in der Stadtkirchenarbeit kann ich die Menschen, für die ich beauftragt bin, von Beginn an teilhaben lassen an dem, was entsteht. Ich halte vielleicht Energie, Struktur und Impulse der Fachstelle zusammen, andere junge Erwachsene bringen aber ihre Themen und Fragen mit. Wir können mutig ausprobieren, ohne sofort wissen zu müssen, was am Ende herauskommt. Weder die Stadtkirchenarbeit noch meine jetzige Aufgabe können sich allein auf Tradition und örtliche Zugehörigkeit verlassen. Sie müssen sich eng am Sozialraum orientieren und in Kooperation mit Bildung und Kultur immer wieder neu entfalten und auch behaupten. Für meine Arbeit wünsche ich mir dennoch, dass auch junge Suchende den christlichen Glauben als festen Grund entdecken können, der sie dauerhaft trägt. Dafür bin ich bereit, mit meiner Person und meinen Erfahrungen einzutreten.
Was sind Ihre Hobbys?
Ich lese sehr gern, auch wenn das beruflich schon viel Raum einnimmt. Yoga, Laufen und unser Garten sind für mich ein willkommener Ausgleich. Außerdem singe ich als Mezzosopran in einem A-cappella-Chor.