In einer aufgeheizten Zeit der Debatten gab der Dezernent für gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) wichtige Hinweise dazu, wie Christinnen und Christen im Gespräch mit Rechtspopulisten Position beziehen und sich dem Gespräch nicht entziehen sollten. Der Referent war Juniorprofessor für Religion und Literatur des Altentestaments an der Ruhr-Uni Bochum (RUB).
„Als wir uns vor einem Jahr dem Vortragsthema genähert haben, konnten wir nicht ahnen, wie tagespolitisch aktuell das Thema ist“ so Dr. Karl Wilms in seiner Begrüßung. Die Gesellschaft und die Probleme würden komplexer. Doch das Ausgrenzen von Menschen und das Ignorieren der Probleme sei keine Option. Fragen zu Kirche und Gesellschaft stehen im Mittelpunkt des Jakobitreffs.
„Die Kirche sollte Rechtspopulisten kenntnisreich klug, christlich klar und konstruktiv begegnen“ betonte Dr. Jan-Dirk Döhling. „Wir sollten wissen, wovon wir sprechen, Haltungen und Argumentationsmuster erkennen und wissen, wie sie funktionieren“. Er plädierte dafür, als Christinnen und Christen klar den Positionen der Rechtsextremen zu begegnen, aus der Mitte des Glaubens heraus. „Wir sollten diesen Strömungen konstruktiv begegnen, in dem wir sagen, wofür wir stattdessen stehen. Es braucht Widerspruch, aber es braucht Taten und Bilder der eigenen Hoffnung und Beispiele eines guten Lebens“ betonte er. Der Populismus zeichne sich dadurch aus, dass das Volk überhöht und idealisiert werde. Beispielhaft nannte er die Pegida-Bewegung in Dresden. Sie veranstaltete von 2014 bis 2024 in Dresden Demonstrationen gegen eine von ihr behauptete Islamisierung und die Einwanderungs- und Asylpolitik Deutschlands und Europas.
„Wenn Populisten von Volk reden, meinen sie einzig ihr Verständnis von Volk. Unsere Frage sollte sein: Wer ist das Wir? Wer darf dazugehören?“ so der Referent. Populisten hätten das Ziel, zu spalten. Sie wiesen auf Unzufriedenheiten und Unzulänglichkeiten hin und erweckten den Eindruck, dass das „Volk“ gegen seinen Willen regiert werde. Auch ihre Kommunikation sei spaltend. „In rechtspopulistischen Ideologien wird der Wille des Volkes nicht im Sinne der Vielfalt gesehen. Die eine und einzige Meinung des Volkes steht immer schon fest“ so Döhling weiter. Ein interessantes Beispiel gebe das Selbstverständnis des amerikanischen Präsidenten Donald Trump: Er stehe über dem Volk. Gegner seien Amerikahasser. Und: rechte Populisten unterschieden sich darin nicht von linken. Dies zeige das politische Agieren Nicolás Maduros, dem Staatspräsidenten Venezuelas.
„Rechtspopulisten nehmen offene Anleihen bei Faschisten und Rechtsextremisten“ unterstreicht Jan-Dirk Döhling. Ein Beispiel sei das Antimigrationstreffen in Potsdam 2023 gewesen. Im rechtspopulistischen Kreisen werde nicht selten verächtlich von sogenannten „Pass-Deutschen“ gesprochen, Menschen, die zwar einen deutschen Pass hätten, aber eigentlich nicht deutsch seien. Das Grundgesetz besage, dass Deutscher/Deutsche ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, als Kind von deutschen Eltern oder Einbürgerung. „Pass-Deutsche gibt es nach dem Grundgesetz gar nicht“ stellte Döhling klar. „Der Kern des Rassismus ist, so meine ich, ist auch im neuen Gewand des sog. „Ethnopluralismus“ erhalten geblieben“. Dabei gehe es um die alte Vorstellung, in sich reiner und abgetrennter Völker und Kulturen, aus dem dann das angeblich Fremde wegmüsse.
„Ich glaube, wir müssen uns klar machen, wie argumentiert wird. Wir müssen das entschlüsseln können“ unterstrich der Referent. Die Ideen seien nicht harmlos. Aus seiner Sicht gebe es keinen gangbaren Weg vom christlichen Glauben zum Rechtspopulismus. Vor 40 Jahren habe die EKD eine Demokratie-Denkschrift herausgegeben. „Darin bekennt sich der Protestantismus zur rechtsstaatlichen Demokratie als der Staatsform, die dem Evangelium entspricht. Hintergrund dieses Bekenntnisses sei die Achtung der Menschenwürde laut Artikel 1 des Grundgesetzes. „Die EKD-Denkschrift“, so Döhling, „leitet die Zustimmung und Mitwirkung der Christen am demokratischen Rechtsstaat von der Bindung des Staates an die Menschenwürde ab, theologisch, von der Gottesebenbildlichkeit aller Menschen, von der die Bibel spricht“. Hier zeige sich: „Es führt kein Weg von der Bibel zu Ideologien, die Menschen grundsätzlich unterschiedliche, höheren oder niedrigen Wert oder verschiedenen Kulturen, eine grundsätzliche Unvereinbarkeit zuschreibt.“. Der Glaube hebe soziale, ethnische, kulturelle und die geschlechtlichen Unterschiede nicht auf. Aber er verhindere und verbiete, dass sie zu Trennlinien und Grenzen zwischen Menschen würden. Grundsätzlich träten die Unterschiede hinter der Gleichheit zurück. „Auch wenn in einigen christlichen Milieus das Gegenteil behauptet wird, es führt kein aufrichtiger Weg vom christlichen Glauben zu rechtspopulistischen und -extremistischen Inhalten. Wer sich als Christ und Christin versteht und doch menschen- und demokratiefeindliche Ideologien vertritt, kommt mit dem eigenen Glauben an die bedingungslose Liebe Gottes in Jesus überkreuz. Da passt etwas grundsätzlich nicht und es ist Zeit zur Umkehr“ macht Döhling klar. Aus den Quellen des Glaubens heraus sollten Christinnen und Christen widersprechen und sich nicht vor den Karren rechtsextremer Gesinnung spannen lassen, so der Referent weiter.
Kirche, so sein Fazit, sollte kenntnisreich die Muster und Maschen rechter und rechtsextremer Politik kennen und benennen. Sie solle dies aus der Mitte ihres Glaubens an den menschenfreundlichen Gott in Jesus Christus heraus tun, der allen gleiche Würde zuspreche. „Kirche muss das konkret und konstruktiv tun, in dem sie auch positiv sagt, zeigt und dafür arbeitet und daran mitarbeitet, was ihr stattdessen kostbar ist“. Im Blick auf die Politik meint der Referent:“ Ich glaube, wir schulden der Politik und Gesellschaft auch Einspruch und Widerspruch gegen Schlechtmacherei, gegen Menschenhass und Unbarmherzigkeit. Ebenso wie unsern Widerspruch, so schulden wir als Kirche der Gesellschaft den Menschen und auch uns selbst Gedanken der Hoffnung und des Gelingens und wir haben doch viel davon“.
Er plädiert für Aktionen und Angebote, wo Menschen erleben, dass sie nicht nur Opfer der Veränderungen oder nöliger Zuschauer sein müssen, sondern bei der Gestaltung der Gesellschaft mitmachen, mitgestalten und mitbestimmen können. „Etwas zum guten Leben beitragen, genau dies ist doch die Idee demokratischer Gesellschaften“, meint er. Dietrich Bonhoeffer, dessen Todestag sich 2025 zum 80. Mal jährt, habe es so formuliert:“ „Es gibt kaum etwas Beglückenderes, als dass man für andere etwas sein kann. Dabei kommt es gar nicht auf die Zahl, sondern auf die Intensität an. Schließlich sind eben die menschlichen Beziehungen, doch einfach das Wichtigste im Leben. Daran kann auch der moderne Leistungsmensch und können auch nicht Halbgötter oder die Irrsinnigen nichts ändern. Halbgötter haben keine Freunde, nur Werkzeuge, die sie nach Belieben gebrauchen oder wegwerfen. Gott lässt sich von uns im Menschlichen dienen.“ In einer lebhaften Diskussion befassten sich die Besucher des Vortragsabends mit Fragen der eigenen Positionierung vor dem Hintergrund des Rechtspopulismus.
Bericht: Christine Fernkorn