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„Der Wert des Religionsunterrichts für die Demokratie ist nicht zu unterschätzen“ - Tecklenburger Lehrer*innentag befasst sich mit Demokratiebildung im Religionsunterricht

In Zeiten, in denen der Rechtspopulismus erstarkt und totalitäre Staaten für ihre angebliche Effektivität bewundert werden, rückt die Schule als Lernort für Demokratie ins allgemeine Blickfeld. Am Buß- und Bettag, dem 19. November, waren 25 Lehrkräfte aus den Kirchenkreisen Münster, Steinfurt-Coesfeld-Borken und Tecklenburg sowie aus dem Ruhrgebiet in die Jugendbildungsstätte Tecklenburg gekommen, um sich der Möglichkeiten von Demokratiebildung im Religionsunterricht bewusst zu werden.

„Heute steht in der Lokalzeitung, dass die Demokratie unter Spannung steht“ eröffnete Ute Dölemeyer vom Pädagogischen Ausschuss des Kirchenkreises Tecklenburg den Tag. Und Synodalassessor Jörg Oberbeckmann knüpfte in seinem Grußwort an die biblische Tageslosung an, in der es bezeichnenderweise hieß: „Weh denen, die Unheil planen, weil sie die Macht haben!“ 

Prof. Dr. Elisabeth Naurath von der Uni Augsburg machte in ihrem Zoom-Vortrag deutlich, dass der Religionsunterricht inhaltlich und methodisch viel zur Demokratiebildung beitragen kann – und soll. Denn nach Ansicht der Theologin und Religionspädagogin habe religiöse Bildung auch eine politische Dimension. „Im ev. Religionsunterricht haben wir ein klares Fundament: Jeder Mensch ist gewollt und angenommen“, betonte die Wissenschaftlerin. Die Forderung nach Wertschätzung gebiete es, Unterricht von den Schülerinnen und Schülern her zu denken. Sie haben Anspruch darauf, sich mit unterschiedlichen Positionen auseinandersetzen zu können. „Wir als Religionslehrkräfte dürfen zugleich eigene Positionen einnehmen und vertreten, sollten dies aber auch stets transparent machen.“  

Kirsten Rabe, Lehrkraft am Gymnasium in Bad Essen und Fachberaterin für Evangelische Religion, gab in ihrem Vortrag einen spannenden Überblick über den Einfluss von „Christfluencer*innen“ in den sozialen Medien. „Ihre Richtschnur ist oft ein sehr wörtliches Verständnis der Bibel. Sie erheben daraus den Anspruch, über die Wahrheit des christlichen Glaubens zu verfügen und setzen diese absolut“, machte sie klar. Dies führe zur kategorischen Ablehnung von Homosexualität und Schwangerschaftsabbrüchen sowie zur rückwärtsgewandten Festlegung von Frauenrollen als Hausfrau und Mutter. Für viele aus der Szene sollten sich Männer hingegen darin auszeichnen, „dominant, emotional unzugänglich und stark zu sein“. Maximilian Krah, ehemaliges Mitglied des Bundesvorstands der AfD, hatte sich dieses Alphamann-Ideals für Wahlkampfzwecke bedient. Das Hand in Hand-Gehen von evangelikalem und rechtsextremem Gedankengut sei gefährlich, so Rabe. Ihr Appell: „Ich denke, dass Kirche hier zu wenig tut. Kirche muss sich deutlicher positionieren.“ 

In einem Workshop zeigte Rabe anschließend auf, wie Genderthemen medial und spielpädagogisch im Unterricht aufgegriffen werden können. Einer populistischen Ächtung dieser Thematik lässt sich nur mit seriöser und sensibler Auseinandersetzung begegnen. Im anderen Workshop stellten Gabriele Bergfeld und Christina Schulz zur Wiesch ihr Buchprojekt „Mevlüde bleibt“ vor. Es eröffnet Kindern einen Zugang zu den Geschehnissen rund um den rechtsextremistisch motivierten Brandanschlag vom 29. Mai 1993 in Solingen. Beide Lehrkräfte stellten dazu didaktisches Begleitmaterial vor, das Opfer und Hinterbliebene biografisch näherbringt sowie emotionale Anteilnahme und Verarbeitung ermöglicht. Extremismus-Prävention sei eben nicht nur Kopfsache, sondern müsse vor allem eine Herzensangelegenheit werden. Der Religionsunterricht biete dazu breiten Raum, fasste Dr. Thorsten Jacobi, Schulreferent des Kirchenkreises Tecklenburg, zusammen.

Bericht: Christine Fernkorn

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