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Bewegende Gedenkfeier anlässlich des Genozids an den Jesiden vor zehn Jahren

„Wir erlebten, wie die ganze Dorfbevölkerung vom IS niedergemetzelt wurde“ - was Hadia in der Christuskirche in Ibbenbüren berichtet, ist erschütternd, macht fassungslos. Die 26-Jährige blickt während einer Gedenkfeier zurück auf das Geschehen, das sie vor zehn Jahren in Shingal im Irak erlebt hat, als die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) grausame Überfälle auf die von Jesiden bewohnten Städte und Dörfer und deren religiöse Orte verübte.

Hadia zeichnet ein Bild von Mord, Verschleppung, Vergewaltigung und weiteren Gräueltaten, die immer noch in den Seelen der Menschen steckten, die sie erlebt hätten. Sie spricht aber auch von ihrer Flucht nach Kurdistan, von Hunger und Durst, von Krankheit und Tod unterwegs und von den vielen Toten, die grausam misshandelt am Wegesrand lagen. Und sie erzählt von der Suche nach den Angehörigen. „Es war entsetzlich zu hören, wer alles gestorben war und auf welch grausame Weise“, erinnert sich Hadia, wohl wissend, dass sie selbst und mit ihr andere, die es bis ins sichere Deutschland geschafft haben, Glück hatten und noch haben. Zurückzugehen ist für die Menschen jesidischen Glaubens, die in Ibbenbüren ihr Zuhause gefunden haben, keine Option. „Meine Hoffnung ist Deutschland“, stellt sie in der Christuskirche klar.

Ingeborg und Reinhard Paul haben die Gedenkfeier Anfang August zum zehnjährigen Jahrestag des Überfalls „in Solidarität mit den Jesiden in unserer Stadt“ organisiert und freuten sich über die sehr gute Resonanz auf das Angebot. Knapp 90 Frauen, Männer und auch Kinder gedachten in dem Gotteshaus des Geschehens, das im Januar 2023 durch den Deutschen Bundestag als Genozid anerkannt worden war.

Sorge bereitet den Menschen, die in Ibbenbüren heimisch geworden sind, dass ihnen die Abschiebung in den Irak drohe, weil dieser inzwischen „als sicheres Herkunftsland“ und der IS als besiegt gelte. Für Hadia und ihre jesidischen Angehörigen und Freunde ein unerträglicher Gedanke, haben sie doch vor zehn Jahren selbst erlebt, dass sich „auch muslimische Nachbarn, mit denen wir bislang friedlich zusammengelebt hatten“, an dem Gemetzel beteiligt hätten. Die Täter seien nicht bestraft oder verurteilt worden, sie könnten sich immer noch frei bewegen, macht Hadia deutlich, dass sie sich dort nicht sicher fühlen könne. Immer wieder betonen sie und ihre Angehörigen, wie froh sie seien, in Deutschland in Ruhe und Frieden leben zu können, danken für die freundliche Aufnahme. Und auch die Menschen, die sie in Ibbenbüren seit vielen Jahren begleiten, sind sicher, dass eine Rückkehr der Menschen, die meist gut integriert seien, nicht in Frage komme.

Superintendent André Ost ließ Grüße an die Versammlung überbringen. Es sei großartig, dass in der Christuskirche des Genozids gedacht werde. „Es ist ein wichtiges Zeichen für Frieden und Menschenrechte, das wir vor Gott bringen“, las Ingeborg Paul aus Osts Schreiben vor.

Lob gab es zudem für die Forderung von Landesministerin Josefine Paul nach einem dauerhaften Abschiebestopp für jesidische Frauen und Kinder, aber auch Kritik daran, die Männer nicht in diese Forderung einzubeziehen.

Die Gedenkfeier, die von Gebeten, Fürbitten und Musik begleitet wurde, endete mit den eindringlichen Worten einer jungen Frau jesidischen Glaubens, die in Ibbenbüren lebt. Sie gab zu bedenken, dass der Völkermord bis heute andauere, dass viele Menschen nicht gefunden worden, nicht wieder aufgetaucht seien. „Vielen Dank, Deutschland, wir werden Ihnen das nie vergessen“, versicherte sie und versprach, dem Land, das sie aufgenommen habe, etwas zurückzugeben.

Bericht: Dietlind Ellerich

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