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70 Jahre Bundeswehr - vom Kalten Krieg zur Zeitenwende - „Wir müssen viel mehr aufklären und miteinander diskutieren“

Einen spannenden und informativen Abend erlebten am 10. Dezember die Besucher eines Vortrags von Oberst im Generalstabsdienst Prof. Dr Matthias Rogg im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Westerkappeln. Der Referent ist derzeit im Rahmen einer Gastprofessur in den Vereinigten Staaten in Carlisle, Pennsylvania, tätig.

Er ist Hochschullehrer und Militärhistoriker. Eingeladen hatte die Initiative Wirtschaft – Christen in Verantwortung e.V. Die Initiative – eine Gemeinschaft christlicher Mittelständler – ist ein bundesweit arbeitender Verein, der das Vernetzen von Führungskräften fördern möchte. Die drei evangelischen Kirchenkreise im Gestaltungsraum sind Mitglied in der Regionalgruppe Münsterland der Initiative. Dr. Horst Kiepe, Sprecher der Regionalgruppe, freute sich über den profunden Referenten. „Vor drei Jahren, zu Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine, hat Prof. Rogg schon einmal bei uns referiert. Damals haben wir nicht geahnt, dass der Krieg bis heute noch anhält und dass er so viel Menschenleben kosten würde.“  

Heute dominieren Informationen über das Kriegsgeschehen in der Ukraine die täglichen Meldungen. Die Diskussionen über notwendige militärische Unterstützung der Ukraine nehmen kein Ende. Am 5. Dezember 2025 hat der Bundestag das Wehrdienstmodernisierungsgesetz beschlossen. Es zielt darauf ab, die Bundeswehr um 80.000 Soldaten zu vergrößern. Die Vortragsveranstaltung in Westerkappeln passte also hochaktuell in diese politische Gemengelage. 

„Die Bundeswehr ist ein Kind des Kalten Krieges“, so Matthias Rogg in seinem Vortrag. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe zunächst keiner an die Wiederbewaffnung gedacht. Die Alliierten hätten einen Weg gesucht, Deutschland in die westliche Staatengemeinschaft zu integrieren. Die Bundeswehr sei in ihrer Gründungsphase immer als Gegenentwurf zur Nationalen Volksarmee (NVA) in der DDR zu verstehen gewesen, so der Historiker. Durch die Pariser Verträge sei 1954 der Weg zur NATO-Mitgliedschat freigeworden. „Die NATO hat sich den Schutz von Freiheit und Demokratie auf die Fahnen geschrieben“, erklärte der Referent. Dies präge auch das Selbstverständnis der Bundeswehr. Die Bundeswehr sei von Anfang an als Wehrpflichtarmee geplant gewesen. „Der größte Fehler war nach meiner Ansicht das Aussetzen der Wehrpflicht. Wir sehen heute wieder, wie wichtig die Wehrpflicht ist“, zeigte sich der Referent überzeugt. Nur darüber sei der Zivil- oder Ersatzdienst denkbar. Den Zivildienst hält Rogg für segensreich. „Ich denke, es gibt keine Streitkräfte weltweit, die so stark durch Parlamente beaufsichtigt sind wie die Bundeswehr. Der Parlamentsvorbehalt sei einzigartig und verhindere, dass eine Regierung ohne Unterstützung des Parlaments einen Einsatz befehligt. Die Innere Führung spiele in diesem Kontext eine wichtige Rolle. Sie sei mehr als ein Kompass und verdeutliche sich in der der Werteorientiertheit, der Motivation und der soldatischen Ordnung. 1964 wurde der erste Traditionsatlas der Bundeswehr veröffentlicht. „Damals war noch sehr viel Wehrmachtsgeist da“, so Rogg. Heute gehe es darum, dass Soldaten auch „Vorbilder mit Ecken und Kanten“ sein könnten. Die Deutschen hätten keine einfache Geschichte, betonte der Militärexperte. 

Die Bundeswehr gehöre heute zu den wenigen Organisationen, denen viel Vertrauen entgegengebracht werde. In Umfragen sprächen sich mittlerweile drei Viertel aller Deutschen für die Wehrpflicht aus. Von den 18-29-Jährigen seien allerdings weniger als ein Drittel bereit, den Wehrdienst zu leisten. „Heute sind wir sicherheitspolitisch unsicherer als noch im Kalten Krieg. Unser Gegenüber ist im Spannungs- oder Kriegsfall unberechenbar,“ unterstrich Rogg. Zurzeit befänden wir uns in einem hybriden Konflikt. Dies zeige sich an Sabotageakten und Eingriffen in die Infrastruktur. „Wir müssen hybrider denken, wir brauchen superspezialisierte Soldaten und eine flexible Wirtschaft“, meinte Prof. Matthias Rogg. 

In einer engagierten Diskussion setzten sich die Besucher mit den Thesen Roggs auseinander. Der Referent empfahl: „Es gibt noch viele Vorurteile gegenüber der Bundeswehr. Wir sollten mehr aufklären. Wir müssen in den Kirchengemeinden in die Diskussion gehen. 

Vorstandsmitglied Anja Meitza-Behling informierte die Gäste im Anschluss über die Ziele und Projekte der Initiative Wirtschaft. Einen adventlichen Rahmen setzte unter anderem das von Jochen Klepper gedichtete Adventslied „Die Nacht ist vorgedrungen“. Pfarrer Henry Wanink, Pfarrer der ev.-ref. Kirchengemeinde Osnabrück, begleitete es auf dem Akkordeon. In einem geistlichen Impuls erinnerte Superintendent André Ost abschließend an den Theologen Dietrich Bonhoeffer, der in einer Andacht auf der ökumenischen Jugendkonferenz im dänischen Fanö im Jahr 1934 Worte zum Frieden sagte: „Friede heißt, sich gänzlich ausliefern dem Gebot Gottes, keine Sicherung wollen, sondern in Glaube und Gehorsam dem allmächtigen Gott die Geschichte der Völker in die Hand legen und nicht selbstsüchtig über sie verfügen wollen. Kämpfe werden nicht mit Waffen gewonnen, sondern mit Gott.“ Die ethische Verpflichtung zum Frieden habe Bonhoeffer aus der Bergpredigt Jesu herausgelesen. Sie sei eine provokante These gewesen und etwas fundamental anderes als die seinerzeit geltende Überzeugung, dass es nur eine Ethik gebe, die den eigenen nationalen Interessen dient, so André Ost. 

Bericht: Christine Fernkorn

 

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