„In den fast 70 Jahren, die wir in Europa ohne Krieg leben konnten, haben wir uns daran gewöhnt, dass dies ein Normalzustand ist“, sagte Bürgermeister Wilhelm Möhrke (Lengerich) zur Eröffnung. Doch der Ukraine-Krieg zeige, dass dies nicht so sei. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an das Lengericher Conclusum: Abgesandte der Konfliktparteien des Dreißigjährigen Krieges kamen in Lengerich zusammen und beschlossen am 10. und 11. Juli 1645 etwas Bahnbrechendes: Sie ebneten durch die Teilnahme sämtlicher durch den Krieg betroffenen Parteien den Weg zu den Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück, die 1648 zum Abschluss des Westfälischen Friedens führten. „Der Frieden für Europa wurde erstmals nicht durch Gewalt, sondern durch Austausch und Diplomatie herbeigeführt“, so Möhrke. Die Veranstaltungsreihe „Im Westen nichts Neues“ stehe Lengerich gut zu Gesicht, so Möhrke weiter. Er dankte den Veranstaltern des Ev. Kirchenkreises Tecklenburg und seiner Erwachsenenbildung, der katholischen Kirchengemeinde Seliger Niels Stensen Lengerich, der Volkshochschule Lengerich und dem Volksbund Kriegsgräberfürsorge für die gute Zusammenarbeit.
Der Künstler Peter Eickmeyer hat die im Roman von Erich Maria Remarque beschriebenen Bilder grafisch in Gouache-Technik und in Federzeichnungen umgesetzt. Die passenden Texte dazu entwickelte seine Frau, Gaby von Borstel. Die Ausstellungsbesucher tauchen so in die bewegende Geschichte des jungen Rekruten Paul Bäumer ein. Der Krieg verändert ihn so stark, dass er im Heimaturlaub zu Hause nicht in der Lage ist, darüber zu sprechen. Kurz vor Kriegsende wird er tödlich verletzt. „Das Remarque-Projekt hat mich und meine Frau gereizt“, berichtet der Osnabrücker Künstler. Seine Frau und er hätten 1996 Kontakt zum Remarque-Friedenszentrum seiner Heimatstadt aufgenommen, um das Projekt dort anzusiedeln. „In der Grafic Novel lenkt gerade die Reduktion auf das Menschliche den Blick auf die Situation des Individuums“, so Martin Siemsen, Historiker des Erich-Remarque- Friedenszentrums Osnabrück. So entstehe eine neue Perspektive auf das Geschehen. QR-Codes bieten inhaltliche Vertiefungsmöglichkeiten an. Er plädierte dafür, dass junge Menschen sich mit der Ausstellung auseinandersetzen. „Ich finde die Veranstaltungsreihe „Krieg und Frieden“ toll“, meint er. Vor allem, dass die Reihe mit dem Volkstrauertag verbunden werde, sei für ihn bemerkenswert, so Siemsen weiter. Die Ausstellung ist bis zum 26. November im Kulturtreff „Altes Rathaus“, Rathausplatz 1, in Lengerich zu sehen.
Uta Jenschke, Direktorin der Volkshochschule Lengerich, dankte explizit Pfarrerin Adelheid Zuehlsdorf-Maeder von der Erwachsenenbildung des Kirchenkreises Tecklenburg. Sie habe das Organisationsteam sehr unterstützt. „Die 30 Arbeiten der beiden Künstler Peter Eickmeyer und Gaby von Borstel spiegeln das Dunkel des Rekruten Peter Bäumer wider, die Zerstörungskraft des Krieges, die Zerrissenheit und die Abstumpfung des jungen Mannes. Kurz vor Ende des Krieges wird er tödlich getroffen. An einem Tag, der so ruhig und still war, dass der Heeresbericht meldet: Im Westen nichts Neues“.
Peter Eickmeyer setzt die Formsprache Remarques in Bildsprache um und bewegt sich dabei zwischen Impressionismus und Expressionismus. Zu seiner Grafic Novel hat das Künstlerpaar auch Konzepte für Schulen entwickelt und ein Buch publiziert. Am 23. November von 10 – 16 Uhr bietet Peter Eickmeyer einen Kreativ-Workshop „Comic und Grafic Novel“ in der Volkshochschule an.
„Der Impulsgeber für die Veranstaltungsreihe „Im Westen nichts Neues?“ ist Pfarrer i.R. Norbert Ammermann, der Kulturbeauftragte des Kirchenkreises Tecklenburg“, informierte Erwachsenenbildnerin Adelheid Zuehlsdorf-Maeder die Ausstellungsgäste. Er habe auch die Straßenoper „Im Westen nichts Neues“ komponiert, die am 8. November (mit Vorprogramm: 19.00 – 22.00 Uhr) in der Gempthalle Lengerich aufgeführt werde. „Mir ging es darum, dass die Zuhörer die Handlung des Romans in einem anderen Milieu erleben, im öffentlichen Raum, der Straße,“ so Nobert Ammermann im Künstlergespräch. Die Menschen sollten miteinbezogen, die Stimme des Volkes solle hörbar werden, so der Pfarrer weiter. Deswegen sei der Eintritt zur Veranstaltung kostenlos. Anlässlich des 75-jährigen Jubiläums des Westfälischen Friedens habe er die Straßenoper im Theater Osnabrück uraufgeführt. „Es ist eine Straßenoper ohne Panzer. Ich habe Geschichten von Freundschaft, Kameradschaft und Liebe in musikalische Sprache umgesetzt. Auch die Sehnsüchte der Soldaten werden gezeigt“, so der Komponist. Die zwölf Szenen der Straßenoper werden von Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule Lengerich/Tecklenburg als Schattentheater inszeniert. Irmhild Kösters wird die Szenen des Romans rezitieren. In der Straßenoper kommen Stilelemente des Minimalismus und der postklassischen Ära in der musikalischen Reduktion und Komprimierung zum Ausdruck. Die erste Szene spielt im Lazarett. Paul Bäumer besucht einen Kameraden, der sterben wird. Das Orchester „The Virtual Orchestra Memphis“ spielt gegen ein Soldatenlied in Dur und Moll. „Gott zeigt sich in der Straßenoper in seiner hellen und dunklen Seite“, sagt Nobert Ammermann und verweist damit auch auf den theologischen Gehalt seiner Komposition.
Bericht: Christine Fernkorn