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„Denken Sie bei der Unterrichtsvorbereitung nicht an ein Brot, sondern an kleine Brötchen!“ - Lehrerinnen- und Lehrertag befasste sich mit dem performativen Religionsunterricht

Als vor zwei Jahrzehnten der performative Religionsunterricht Einzug in die Klassenräume hielt, verbanden sich hohe Erwartungen an dieses religionspädagogische Konzept. Angesichts des Traditionsabbruchs erhoffte man sich, mit seiner Hilfe Religion erlebbar und verstehbar zu machen, so Schulreferent Dr. Thorsten Jacobi in der Einladung zum Lehrerinnen- und Lehrertag.

Das Echo auf dieses Unterrichtskonzept reiche in der Lehrerschaft von begeisterter Zustimmung bis zur skeptischen Ablehnung. Am 22. November befassten sich Religionslehrerinnen und -lehrer aus dem Kirchenkreis Tecklenburg und darüber hinaus in der Jugendbildungsstätte mit Chancen und Möglichkeiten dieses Ansatzes. Der Pädagogische Ausschuss des Kirchenkreises unter Leitung von Ute Dölemeyer und das Schulreferat hatten zu diesem Fachtag eingeladen.

Zur Eröffnung des Tages machte Synodalassessor Jörg Oberbeckmann darauf aufmerksam, dass der 22. November Buß- und Bettag sei. „Dieser Tag verschwindet aus dem Bewusstsein“, bedauerte er. „Unser Problem ist, dass wir die Endlichkeit verdrängen. Wir wollen das Ende einer Wachstumsgesellschaft nicht wahrhaben“. Doch als Christinnen und Christen hätten wir eine verheißungsvolle Perspektive, so der Pfarrer weiter. Er wünschte den Teilnehmenden des Fachtags Räume, in denen die christliche Botschaft Resonanz finden kann.  

Ute Dölemeyer wies in ihrer Begrüßung auf alarmierende Daten in der neuen Kirchenmit­gliedschaftsstudie hin. Was kann Schule dazu beitragen, die Lage zu verbessern? Per Zoom war der Experte Prof. Dr. Hans Mendl, Lehrstuhlinhaber für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts an der Geistes- und Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Uni Passau, zugeschaltet. In seinem Vortrag zum Thema „Religion – eine Gratwanderung“ stellte er Chancen, Grenzen und Formen eines Religionsunterrichts vor, der mehr ist als ein „Reden über Religion“. Er machte klar, dass Religionslehrerinnen und -lehrer aktuell mit anderen Lernvoraussetzungen konfrontiert sind als früher. „Heute fehlen den jungen Leuten das Wissen und die Erfahrung von Religion“, stellte er fest. Theologisch gelte es, angemessene Präsentationsformen für sie zu entwickeln, um ihnen das Erleben von Religion zu ermöglichen. Es gehe darum, den jungen Menschen einen Einblick in die Geschichte, die Praxis und die soziale Dimension von Religion zu vermitteln.

„Um Religion zu verstehen, sind Gebet, Segen, die Auseinandersetzung mit ethischen Fragen und viel Zeit nötig“, betonte der Referent. Bei der Befragung des Plenums, ob es in Ordnung ist, im Religionsunterricht zu beten, sagen 17 ja, drei sprachen sich dagegen aus. „Diese Tendenz ist mir bekannt“, meinte Prof. Mendl. Natürlich sei die Glaubensautonomie der Schülerinnen und Schüler wichtig. Es dürfe keinen Zwang zu religiösen Handlungen geben, betonte er. Religionsunterricht solle daher stets eine Einladung zum Erleben, Reflektieren und Erfahren von Religion sein. „Im Unterricht sind viele Möglichkeiten denkbar, in Religion stärker einzutauchen. Aber denken Sie bei der Unterrichtsvorbereitung nicht an ein Brot, sondern an kleine Brötchen!“ appellierte er an die Lehrkräfte.

Anne Klaaßen war zuletzt Studienleiterin am Religionspädagogischen Studienzentrum der Ev. Kirche Hessen und Nassau (EKHN) und arbeitete 20 Jahre in der Fort- und Weiterbildung zu Religion in der Grundschule. Sie unterrichtete zeitgleich selbst in einer Grundschule und ist heute im Ruhestand. „Performativer Religionsunterricht bedeutet für mich: Trau den Schülerinnen und Schülern mehr zu“, sagte sie. Sie definiert diesen Unterrichtsansatz mit den Schlagworten „performance“, Performanz als Unterrichts­prinzip und Performativität. Bei der „performance“ gehe es darum, dass aus einem Text eine Ausdruckshandlung entsteht. Zum Beispiel wird eine Geschichte inszeniert, als Rollenspiel, als weiterführender Dialog oder mit Legematerial. Bei der Performanz als Unterrichtsprinzip bringen Akteure und Zuschauende ihre subjektiven Sichtweisen ein. Die Inszenierung selbst wird zum Lerngegenstand. Anschließend reflektiert die Lerngruppe die Inszenierung. „Durch Verschriftlichung eigener Gedanken nehmen die Schülerinnen und Schüler gegenseitig Anteil an ihren Erfahrungen“ so die Referentin. „Mir war wichtig, dass die Kinder mit in die Geschichten mit Gott hineingenommen werden“. Dies ginge heute sicher auch mit Videoclips und ähnlichen Medien. Julian Niederwahrenbrock, Popkantor aus der Kirchengemeinde Westerkappeln, wies im Workshop u.a. nach, dass auch „White Metal“ einen sinnvollen Platz im Religionsunterricht haben kann, d.h. Rockmusik mit christlichen Liedtexten. Anne Klaaßen animierte abschließend die Teilnehmenden, biblische Texte aus ungewohnten Perspektiven zu erschließen.     

Text: Christine Fernkorn

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