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„Theologie und Kirche sind immer neu und ganz von der Lebendigkeit Gottes abhängig“ - Prof. Dr. Michael Weinrich referiert zu Karl Barth

„Sorgen wir uns darum, dass Gott in unseren Kirchen wirklich zu Wort kommt, oder geben wir uns damit zufrieden, möglichst viele Worte um ihn zu machen?“ Dies, so Prof. Dr. Michael Weinrich, sei die entscheidende Frage, die der Theologe Karl Barth (1886 – 1986) uns heute stellt. Es könnte sein, dass wir zwar in der Kirche von Gott reden, aber der Gott, von dem wir redeten, sei gar nicht Gott, sondern die selbstgemachte Vorstellung von einem Gott, von dem wir glaubten, dass er in unsere Kirche und eben auch zu uns passe.

Im Rahmen der Karl-Barth-Veranstaltungsreihe im Ev. Kirchenkreis Tecklenburg referierte der reformierte Theologe in der Friedenskirche Wersen-Büren. Er war als Professor für Ökumenik und Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum tätig.

Karl Barth kritisiert Zufälligkeit oder Beliebigkeit, in der von Gott geredet wird

„Längst scheint es Gott zu sein, der auf eine Rechtfertigung angewiesen ist“, so Michael Weinrich. Damit er nicht ganz überflüssig sei, gäben die Menschen ihm bis heute etwas zu tun, wenn es beispielsweise darum geht, einen Umstand in einer erhabenen Beleuchtung erscheinen zu lassen wie die Wiedervereinigung der beiden deutschen Nachkriegsstaaten. „Es scheint ein bisschen so wie ein Wunschkonzert zu funktionieren, je nach Lage und Geschmack“, beschreibt er. „Karl Barths Theologie richtet sich ausdrücklich gegen diese diffuse Unbestimmtheit und ereignisabhängige Zufälligkeit oder Beliebigkeit, in der in unserer Kirche von Gott geredet wird“, erklärt der Theologieprofessor. Barth konstatiert: “Es ist nicht an uns, sich Gott auszumalen, sondern es ist Gott selbst, der sich uns mitteilt und sagt, wie er recht erkannt werden will“. Auch den erwartungslosen Umgang der Kirche mit der Bibel prangert er an.  

„Gottes Wort kommt uns immer von vorne entgegen“

Der bedeutende Theologe gebe bis heute zwei wesentliche Anregungen: Einerseits erinnere er Theologie und Kirche konsequent daran, dass sie immer neu und ganz und gar von der Lebendigkeit Gottes abhängig seien. Darüber hinaus habe Karl Barth die Gottesfrage strikt an die Orientierung des biblischen Zeugnisses gebunden. Er fragte: Was ist ein angemessener Umgang mit der Bibel? Und: Auf welche Weise kann es gelingen, die Bibel das sagen zu lassen, was sie uns sagen will? „Kaum ein anderer Theologe ist so konsequent Bibeltheologe gewesen wie Karl Barth“, stellt Weinrich in diesem Zusammenhang fest.

Neuorientierung am biblischen Zeugnis

Die Neuorientierung, die Karl Barth für die Kirche und auch für die Theologie geboten sah, müsse sich, ebenso wie alle bedeutsamen Reformationen in der Geschichte der Kirche, auf das biblische Zeugnis zurückbesinnen. Das Neue, das es in der Bibel zu vernehmen gibt, nennt Barth den „Ton vom Ostermorgen“. Theologie und damit die Praxis der Kirche wurzeln nach Karl Barth entweder im Osterbekenntnis oder sie verfehlen ihre Bestimmung. „Im Spiegel des Leidens und Sterbens Jesu Christi wird uns unsere Lebensfeindlichkeit und die faktische Auflehnung gegen Gott vor Augen geführt“, so der Referent.

Die entfesselten Geister haben sich verselbständigt

Barth spreche von „herrenlosen Gewalten“, die der Mensch entfesselt habe, ohne sie tatsächlich noch beherrschen zu können. „Denken wir an unsere Gefangenschaft in einer global agierenden menschenverachtenden Konkurrenz-Wirtschaft, an die Zwänge der mantra-artig gepredigten Doktrin eines permanenten Wachstums“, konstatiert Weinrich dazu. „Diese entfesselten Geister haben wir selbst herbeigerufen. Sie haben sich verselbständigt und erscheinen uns wie kaum beeinflussbare Mächte. Aber auch bei zwei alten Geistern, die wir schon eingefangen glaubten, wird der Korken auf der Flasche wieder gelockert: Dem kurzsichtigen und letztlich selbstzerstörerischen Nationalismus und dem niederträchtigen Antisemitismus“, warnte er. Der befreiende Gott des ersten Gebots komme in diesem magischen Weltbild nicht vor.

Gott stellt sich diesen Mächten mit dem „Ton vom Ostermorgen“ entgegen

Der Macht der „entfesselten Gewalten“ habe sich Gott mit seinem „Ton vom Ostermorgen“ definitiv entgegengestellt, unterstrich Prof. Weinrich. Dieser Ton sei das Ja Gottes vor der Klammer unserer ganzen Geschichte. Darauf hinzuweisen sei die heute noch immer aktuelle Intervention Karl Barths für Theologie und Kirche. 

Text: Christine Fernkorn

 

 

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