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„Steuern machen keinen Spaß, aber Sinn“: Norbert-Walter Borjans referiert in Westerkappeln-Velpe

Das Thema „Steuern“ brennt auf den Nägeln. Das wurde Anfang März deutlich, als mehr als 100 Frauen und Männer zum Informations- und Diskussionsabend mit Norbert Walter-Borjans kamen. Selten war das Martin-Niemöller-Haus so voll gewesen. Der frühere NRW-Finanzminister war auf Einladung der Evangelischen Erwachsenenbildung im Kirchenkreis Tecklenburg, des Männerkreises sowie der Kirchengemeinde Westerkappeln zu Gast und stellte direkt zu Beginn klar, was alle wissen und viele fürchten.

„Steuern machen keinen Spaß, aber Sinn“, das ist nicht nur das Credo seines Buches „Steuern – der große Bluff“, sondern auch der rote Faden durch den Abend.

Walter-Borjans redet Tacheles. In seine Zeit als Minister fiel der Ankauf der sogenannten Steuer-CDs. Er steht noch heute hinter dem Kauf der Datenträger mit Namen, Tipps und Hinweisen, die dem Land Einnahmen von 2,3 Milliarden Euro, dem Bund 7,2 Milliarden an Steuernachzahlungen brachten. Nicht nur die „Steuersünder“, laut Walter-Borjans eine verharmlosende Bezeichnung für die Täter, deren Namen auf den CDs standen, zahlten Bußgelder, sondern auch viele Menschen, die sich selber anzeigten, weil sie Angst hatten, ihren Ruf zu verlieren. Steuerhinterzieher, aber auch Banken, die „gegen teures Geld“ beraten hätten, zahlten.

„Wir brauchen ein Recht, die Banken als Unternehmen zu packen“, fordert Walter-Borjans nachdrücklich. Den Kauf der CD sieht er als Anfang, das Problem ernsthaft anzugehen. „Die Opfer, die Betrogenen sind wir alle“, macht er deutlich.

Die Steuerzahler teilt er in vier Gruppen ein. Bei den „Pflichterfüllern“ gingen die Daten direkt von den Arbeitgebern an die Finanzämter. Die „Steuertrickser“ verstoßen zwar nicht gegen Gesetze, nutzen aber „Unebenheiten zwischen Staaten oder innerhalb eines Landes“. Als Beispiel hierfür nennt er den Leverkusener Bayer-Konzern, der im benachbarten Monheim eine neue Firma gegründet hat, die seine Patente verwaltet. Der Clou? Monheims niedrige Gewerbesteuer.

„Wir müssen auch vor der eigenen Tür kehren“, stellt Walter-Borjans klar, dass es nicht nur Steuerparadiese im Ausland oder große Konzerne gibt, die in Deutschland große Gewinne machen, aber keine Steuern zahlen.

Zu „Pflichterfüllern“ und „Steuertricksern“ gesellen sich die Steuerbetrüger und die Plünderer. „Die lassen sich Steuern erstatten, die sie nie gezahlt haben“, sagt er über die Plünderer. Im großen Stil übrigens, Walter-Borjans weiß von „bis zu acht, die sich erstatten lassen, was einer nicht gezahlt hat“.

Brechts Zitat „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ gelte nicht, sagt der Politiker mit Blick auf hochbezahlte Lobbyisten, die ihm ein Dorn im Auge sind. Er fordert, „dem Unwesen Einhalt zu gebieten“, und ist sicher, dass man dies nur schaffe, „wenn die Öffentlichkeit empört ist und Politiker das Gefühl haben, dass man Wahlen verlieren kann“. Transparenz sei ganz wichtig, „wenn sich beim Einnehmen von Steuern ganze Kreise herausstehlen können“, stellt er fest. Und fürchtet, dass der Prozess nie zu Ende sein werde.

Für die Besucher im Martin-Niemöller-Haus, die die Ausführungen des Politikers gespannt verfolgten, schien der Abend zu schnell zu Ende zu gehen. Einige nutzen noch die Gelegenheit, um den prominenten Fachmann aus der Reserve zu locken. Nicht allen schmeckten dessen Antworten. „Ja, das ist Steuerbetrug und ein Stück Selbstgefälligkeit“, sagte er zu dem Handwerker, der wissen möchte, ob er „Vater Staat beschissen“ habe, wenn er und ein Kollege eines anderen Gewerks sich gegenseitig geholfen hätten und das für die Arbeiten eingeplante Geld noch da sei. „Wo kämen wir hin, wenn jeder nach Gutdünken die Steuer bestimmt“, redete der Ex-Minister Tacheles.

Text: Dietlind Ellerich

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