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Kirche sollte mehr Vertrauen in ihre Wirkungskraft haben

„Es wird Zeit, dass wir wieder mutiger und offensiver werden, über das, was uns und Mut und Vertrauen gibt, Auskunft zu geben“, appellierte Superintendent André Ost in seinem Jahresbericht für das Jahr 2018 vor der Kreissynode Tecklenburg am 1. Juli in Ladbergen. Denn Christen müssten damit rechnen, immer weniger verstanden zu werden, weil es an Wissensvoraussetzungen und an einübender Gewohnheit fehle.

„Eine kleiner werdende Kirche muss nicht zwangsläufig ausdrucksärmer werden. Es kommt darauf an, wie sie ihre Stimme und ihre Kräfte einsetzt und ob sie Vertrauen in die Wirkungskraft dessen hat, den sie bekennt", so André Ost weiter.

Vertrauen ist die Herausforderung für die Kirche

„Was für ein Vertrauen“ war das Motto des Kirchentages, der im Juni in Dortmund stattfand. „In diesem Jahr durchzog den Kirchentag die Frage nach dem, was unsere Gesellschaft zusammenhält“, berichtete der Superintendent. Es sei wahrnehmbar, dass die tragenden Institutionen an Anziehungskraft verlieren. Dies gelte spätestens seit den Europawahlen für die großen Volksparteien wie für die beiden großen Kirchen. „Vertrauen schwindet. Umso mehr sehen wir uns als Menschen unserer Kirche herausgefordert, Auskunft darüber zu geben, was uns trotz aller wahrnehmbaren Krisensymptome das Vertrauen erhält“, so André Ost.

In diesem Zusammenhang berichtete er von einem Forschungsprojekt der Universität Freiburg zur langfristigen Projektion der Kirchenmitglieder und des Kirchensteueraufkommens bis zum Jahr 2060. Danach werden in 40Jahren nur noch weniger als die Hälfte Mitglieder in der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) sein. Dies bedeute halb so viel Finanzkraft wie heute, so Ost. Für den Kirchenkreis Tecklenburg heißt das, dass er statt 74.000 nur noch knapp 40.000 Mitglieder hätte. „Dass die Gruppe der 25-30 Jährigen eine hohe Austrittsneigung hat, muss uns beunruhigen“, unterstreicht der Superintendent in seinem Bericht. Dies sei offenbar die Altersgruppe, die die Kirche mit ihren Angeboten am wenigsten erreiche.

Aufgabenklärung ist notwendig

In den nächsten Jahren sei eine Aufgabenklärung dran, die eine Bestandsaufnahme voraussetze. Der dann folgende Konzentrationsprozess könne es der Kirche nicht erlauben „einfach aufrechtzuerhalten, was uns heute selbstverständlich erscheint“, meinte Ost. „Insbesondere als Kirche im ländlichen Raum ist uns wohl bewusst, welche Stabilität wir durch unsere Präsenz im Netz der oftmals labil gewordenen lokalen Infrastruktur noch haben“, betonte er. Die Berichte, die die Kirchengemeinden der Kreissynode vorgelegt hätten, erzählten in diesem Jahr von „hoffnungsvollen Aufbrüchen und stabilem Beteiligungsverhalten“, auch wenn es speziell bei der Frauen- und Seniorenarbeit aufgrund der Altersstruktur erkennbar bröckele.

Schutz- und Präventionskonzept gegen sexualisierte Gewalt

„Wir wissen, dass negative Schlagzeilen nicht selten das Mitgliedschaftsverhalten beeinflussen“, berichtete der Superintendent. Nicht unwahrscheinlich sei es, dass die Debatte um die Fälle von sexuellem Missbrauch in beiden großen Kirchen zur Austrittsneigung beitrüge. Ein von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Pfarrerin Dr. Britta Jüngst entwickeltes Schutz- und Präventionskonzept wurde der Synode vorgestellt und zur Anwendung im Kirchenkreis empfohlen. Die Präventionsarbeit und die Schulung von Multiplikatoren werden folgen. „Als Kirche müssen wir ein Schutzraum für die sexuelle Selbstbestimmung sein“, unterstrich André Ost. „Wir müssen wachsam sein, dass wir in unseren verschiedenen kirchlichen Arbeitsbereichen keine blinden Flecken und keine Aufmerksamkeitsdefizite haben“, führte er aus.  

Bildung nachbarschaftlicher Kooperationsräume

Nach dem Synodenbeschluss im Sommer 2018 zur Bildung nachbarschaftlicher Kooperationsräumefür den Pfarrdienst sind erste Umsetzungsschritte vollzogen. Die Pfarrstelle in Lotte wurde zwar zu 100 % wiederbesetzt, allerdings hat sie in Zukunft einen 25 %-igen Dienstauftrag zur Förderung der nachbarschaftlichen Zusammenarbeit. „Solche Konstruktionen wird es in Zukunft sicher öfter geben“ informierte André Ost die Synodalen. Dies habe den Vorteil, dass sich der Blick über die Grenzen der eigenen Gemeinde weite, Synergien könnten wachsen.

Kirche für andere

„Wenn man den Mitgliederbefragungen Glauben schenken darf, genießt die Kirche immer dort die höchste Wertschätzung, wo sie wahrnehmbar ‚Kirche für andere‘ ist“, unterstrich der Superintendent. Das christliche Glaubensbekenntnis sei in den Augen der Öffentlichkeit nur dann etwas wert, wenn es sich in entsprechenden Taten manifestiere. „Darum“, so Andre´ Ost, „stehen unsere diakonischen Hilfsangebote besonders hoch im Kurs“. Deswegen sei es nicht verwunderlich, dass sich die Kirche auf dem Höhepunkt der Flüchtlingszuwanderung 2015 zu besonderem Engagement herausgefordert sah und ein Teil der Willkommenskultur wurde. „Inzwischen ist das gesellschaftliche Klima beim Thema Zuwanderung deutlich rauer geworden. Die Migrationsdebatte bestimmt den Ausgang von Wahlen und ist zum Hauptthemenfeld der populistischen Auseinandersetzung geworden“, beklagte er. Dies habe zur Folge, dass sich heute weniger diejenigen rechtfertigen müssten, die das Recht auf Asyl offen in Frage stellten als diejenigen, die sich nach wie vor für Humanität und Bleiberecht einsetzten.

Kirche und Migration

Die Hauptvorlage der EKvW „Kirche und Migration“, die auf der Landessynode im November 2018 vorgestellt wurde, ist eine Art Bestandsaufnahme zum Umgang mit dem Thema Migration und Integration in der Landeskirche. Sie verdeutlicht das Gewicht, das dieser Themenbereich in den letzten Jahren gewonnen hat, auch im Kirchenkreis Tecklenburg. Davon zeugen die Gemeindeberichte zur diesjährigen Sommersynode, die alle einen Abschnitt zu den vor Ort in den Kirchengemeinden gemachten Erfahrungen enthalten. „Die gesellschaftliche Herausforderung der Flüchtlingsaufnahme hat keine Kirchengemeinde unberührt gelassen. In unterschiedlicher Intensität sahen sich unsere Gemeinden herausgefordert“, berichtete André Ost. Er habe eine große Offenheit zur Aufnahme und Hilfeleistung erlebt. „Ich bin ausgesprochen dankbar dafür, dass wir unser Christsein nicht heimatbezogen verengt, sondern in globaler Verantwortung verstehen“, betonte er.  

Starke Flüchtlingsinitiativen im Kirchenkreis Tecklenburg

„Besonders hervorzuheben sind die starken, besonders nachhaltig wirkenden Flüchtlings-initiativen in Ibbenbüren (Café International), Rheine (Landeskirchliche Gemeinschaft) und Schale“, so Ost. Insbesondere die Kirchengemeinde Schale sei in dieser Hinsicht ein Phänomen. „Wer hätte es dieser ländlich strukturierten Gemeinde zugetraut, eine solche Offenheit für die Situation von Geflüchteten aus aller Herren Länder zu entwickeln? Das Presbyterium hat sich zur Hilfeleistung entschlossen und zum wiederholten Male in begründeten Einzelfällen Kirchenasyl gewährt“, berichtete der Superintendent. In einem zivilgesellschaftlich-kommunalem Schulterschluss werde gelebt, was uns heute als Folge der Globalisierung vor Augen gestellt werde: „Es kann nicht angehen, dass wir lediglich die Früchte globalisierten Wirtschaftens ernten möchten, uns für die Folgen weltweiter Krisen aber nicht verantwortlich fühlen“, machte er deutlich.

Radikalisierung staatlicher Flüchtlingspolitik

Der Gemeindebericht aus Schale spricht von einer deutlich wahrnehmbaren Radikalisierung staatlicher Flüchtlingspolitik. Humanitäre Gesichtspunkte spielten bei der Beurteilung von Bleiberecht immer weniger eine Rolle. Wo vor zwei Jahren noch im Sinne einer Schutzbedürftigkeit entschieden wurde, erfolge jetzt immer häufiger ein Abschiebebescheid.

André Ost dazu: „Wir sind jetzt wieder genau dort, wo wir in der Asylgesetzgebung vor 2015 waren: Die Dublin-Verordnung ist wieder in Geltung gesetzt. Das bedeutet, dass ein Asyl-verfahren in dem Land durchzuführen ist, wo ein Geflüchteter erstmals europäischen Boden betreten hat. Deutschland hält sich damit zunehmend schadlos. Die Flüchtlingszahlen in unserem Land werden dadurch drastisch gesenkt, auf Kosten der Länder an den EU-Außengrenzen. Das weltweite Flüchtlingsproblem ist damit allerdings in keinster Weise gelöst, es wird uns nur vom Leibe gehalten“, kritisiert er. 

Weltweit sind 70 Millionen Menschen auf der Flucht

Wie das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, der UNHCR, soeben veröffentlicht hat, sind weltweit über 70 Millionen Menschen auf der Flucht. Nur 9 % davon kommen nach Europa. „Einer Kirche, die ihre Glaubensgrundlage nicht als eine Frage der nationalen Identität, sondern im Lichte weltweiter Verantwortung betrachtet, wird es nicht egal sein können, wenn sich vor den Grenzen des reichen Europa humanitäre Katastrophen ereignen“, so Ost. Auch wenn die Sorge um die Stabilität unserer Demokratie angesichts der Wahlerfolge der Rechtspopulisten sicher nicht unberechtigt sei, dürften sich Christen keine Scheuklappen aufsetzen.

Klimaschutz

„Eine ‚Kirche für andere‘ muss bereit sein, über den engen Horizont der eigenen Ansprüche hinauszusehen und sich mit den Folgen der eigenen Lebensweise für Mit- und Umwelt auseinanderzusetzen“, betonte der Superintendent. Dies gelte insbesondere auch für das bedrängende Thema des Klimaschutzes, das insbesondere die junge Generation in der „Fridays for future“-Bewegung stark berühre.

Den Superintendentenbericht zum Download finden Sie hier: https://www.kirchenkreis-tecklenburg.de/service/download/

 

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